Das Buch Samuel greät in den Gemeinden oft fast ganz in Vergessenheit. Nur wenn es um Geschichten für die Sonntagsschule oder um einige Personen als Beispiel geht, wird es gelesen. Die akademische Art und Weise das Buch Samuel, das ursprünglich von 1 Samuel bis 2 Könige ein Ganzes war, zu studieren, hat sich in den 1980er Jahren verändert. Das Buch scheint manchmal widersprüchlich zu sein (zB: 1 Sam 16:19-23 // 17:55-58 kannte Saul David?). Dafür gibt es mittlerweile mehrere Erklärungen: Eine davon besagt, dass das Buch Samuel eine Sammlung von verschiedenen Geschichten war, und deshalb muss jede Stelle separat vom Rest des Buches interpretiert werden. Andererseits haben die Studien seit den 1980er Jahren die Perspektive geändert, und versuchen herauszufinden, ob dies innerhalb derselben Erzählung, die auf diese Weise erstellt wurde, Sinn ergibt. Eines der Ergebnisse ist die Theorie, dass der Autor keine Partei in Bezug auf die Herrschaftsgruppen ergreift, sondern alle Mächtigen in Zweideutigkeit beschreibt, um die großen Zweifel und die Skepsis gegenüber der Macht spürbar werden zu lassen und zu zeigen, wie man trotzdem überlebt. Hier habe ich es erklärt.
Der Prophet Samuel wird meist automatisch mit der Einführung der Monarchie in Israel in Verbindung gebracht. Der Synchrinisation der Regierungslisten verschiedener Völker, sowie archäologischen Studien zufolge, bei denen es sich immer um Wahrscheinlichkeiten und nicht um Genauigkeiten handelt, hat Samuel etwa zwischen 1100 und 1015 v. Chr. gelebt.
An die Macht im Volk Gottes gelangt der Prophet Samuel durch eine Folge von Ereignissen, die der des Pharao sehr ähnlich ist. Der Stolz führte ihn zu seinem eigenen Tod, ebenso wie es bei Hophni und Pinehas, die im Kampf starben, der Fall war. Der Priester Eli stirbt, nachdem er die Nachricht vom Tod seiner Söhne hört. Es scheint, als stünden die Sterne in perfekter Ordnung, damit Samuel den Platz einnehmen konnte, für den er auserwählt und geweiht worden war.
Für den christlichen Leser ist Samuel vor allem ein Beispiel für die Bereitschaft, das Wort Gottes zu hören, als dieser nachts im Tempel zu ihm sprach. Samuel, der keine Macht suchte, fällt die Macht praktisch in den Schoß. Aber das schützt ihn nicht vor dem, was die Macht mit sich bringt. Halbertal und Holmes erklären, dass mehrere Bibelstellen zeigen, wie es Samuel enorm viel gekostet hat, die Macht abzugeben, die er hatte. Diese Textstellen werden im Folgenden erläutert. Was Samuel von Eli gelernt hatte, das versuchte er auch anzuwenden. Obwohl seine Kinder auch nicht die allerheiligsten waren. Wie´s scheint, ist es sehr schwierig, den Virus schlechter Traditionen und Bräuche zu beseitigen. Hier eine SEHR ähnliche Parallele zwischen der Situation von Eli und der von Samuel:
Als Samuel alt wurde, übergab er seinen beiden Söhnen das Richteramt. Joel, der ältere, und Abija, sein jüngerer Bruder, waren Richter in Beerscheba. Doch sie folgten nicht dem Vorbild ihres Vaters, sondern waren nur darauf aus, sich zu bereichern. Sie ließen sich bestechen und beugten das Recht.
1. Samuels Klagen und Gottes Trost
In dem Moment, in dem das Volk von Samuel einen König fordert, entsteht ein Problem. Die meisten Menschen denken, das Problem Samuels war, dass das Volk einen König anstelle von Gott will. Ein genauerer Blick auf den Text verrät jedoch etwas anderes:
Da versammelten sich die Sippenoberhäupter von Israel und gingen gemeinsam zu Samuel nach Rama. »Samuel«, sagten sie, »du bist zu alt geworden, um das Volk noch richtig führen zu können, und deine Söhne folgen nicht deinem Vorbild. So setz doch einen König als Herrscher über uns ein, wie auch alle unsere Nachbarvölker einen haben.«
Erstens, die beiden aufgeführten Argumente wären für niemanden leicht zu akzeptieren: 1) du bist zu alt, 2) deine Kinder taugen nicht dazu. Samuel war sehr menschlich und seine Reaktion bestätigt dies:
Samuel war nicht damit einverstanden, dass sie plötzlich einen König haben wollten. Er zog sich zurück, um den Herrn um Rat zu fragen. Der Herr antwortete: »Gib ihnen, was sie wollen! Mit ihrer Forderung lehnen sie ja nicht dich ab, sondern mich. Sie wollen mich nicht mehr als ihren König anerkennen... Erfülle ihre Forderung!
Vielleicht, und sogar sehr wahrscheinlich gefiel es Gott nicht, dass sie einen König angefordert hatten. Aber der Text macht es sehr deutlich: „Samuel war nicht damit einverstanden“. Außerdem tröstet Gott Samuel, nicht Samuel Gott. Gott sagt: „Sie lehnen ja nicht dich ab.“. Es beweist, dass Gott wusste, dass dies Samuels Problem mit dem Thema war. Seltsamerweise muss Gott Samuel zweimal dazu ermutigen, die Bitte des Volkes zu erfüllen. Mit dieser Ermutigung endet Gottes Botschaft an Samuel. Dies weist auf das hin, was der Autor des Buches zu vermitteln versuchte. Nicht unbedingt den Schmerz Gottes, sondern den Schmerz Samuels.
2. Die Ernennung eines Königs
Gott trägt Samuel auch auf, das Volk zu warnen vor dem, was ein König für sie bedeuten würde. Samuel, gehorsam wie er war, tat es, und interessanterweise heißt es in dem Text: „Samuel berichtete dem Volk alles, was der Herr ihm gesagt hatte.“ (1 Samuel 8:10). Bei der Szene, in der Samuel zum Volk spricht, zeigt der Schreiber uns nur das Negative, das die Ernennung eines Königs mit sich bringen würde (1 Samuel 8:11-18). Natürlich reagiert das Volk, indem es nur das Gute erwähnt, das sie von einem König erwarten (1 Samuel 8:19-20). Obwohl Gott ihn zweimal beauftragt hatte, auf die Stimme des Volkes zu hören, bietet Samuel Gott erneut die Möglichkeit, seine Meinung zu ändern. Genau hier lässt der Autor des Buches den Leser wieder auf subtile Art und Weise durch das Öffentliche in das Private des Kampfes mit der Macht schauen:
Und da Samuel alle Worte des Volks gehört hatte, sagte er sie vor den Ohren des HERRN. Der HERR aber sprach zu Samuel: Gehorche ihrer Stimme und mache ihnen einen König. Und Samuel sprach zu den Männern Israels: Geht hin, ein jeglicher in seine Stadt.
Jeder Leser, der die 3 klaren Anweisungen Gottes verstanden hat, „ihrer Stimme zu gehorchen und ihnen einen König zu machen“, würde denken, das Beste für Samuel wäre, auf Gott zu hören. Aber der Autor hatte wieder den Mut, die Meinungsverschiedenheit und Samuels Kampf mit der Macht zu zeigen, die still, meist passiv, aber aggressiv, im menschlichen Herzen verwurzelt ist. Was Samuel anordnet, ist, dass „jeder in seine Stadt gehen möge„.
Aber Gott ergreift in seiner Entscheidung die Initiative und bastelt die Situation zusammen wie ein Politiker, der nicht nur die großen Bewegungen kontrolliert, sondern bis ins kleinste Detail Kontrolle hat. Ein hübscher junger Mann auf der Suche nach zwei Eseln kommt glücklicherweise bei Samuels Haus an, wo Gott erneut die Anweisung geben muss, dass dieser der König sein wird.
Samuels Umgang mit dem neuen König
Saul scheint missverstanden zu haben, was Samuel ihm aufgetragen hatte. Der Text scheint darauf hinzudeuten, dass er in seinen eigenen Augen richtig gehandelt hatte. Als Samuel ihm Vorwürfe macht, antwortet er, er habe getan, was ihm aufgetragen wurde. Wenn der Autor vom Buch Samuel nur zeigen wollte, wie ungehorsam Saul war, würde er die Details nicht auf diese Weise erwähnen müssen. Der Text scheint beiden Seiten eine Chance zu geben. Fast so, als könne der Leser selbst eine Seite des Streites wählen. Vielleicht war dem Verfasser nicht alles ganz klar, was Samuel Saul aufgetragen hatte.
Da harrte er [Saul] sieben Tage auf die Zeit, von Samuel bestimmt. Und da Samuel nicht kam gen Gilgal, zerstreute sich das Volk von ihm.
Bei mehreren Gelegenheiten scheint der Autor des Buches Samuel ein gewisses Gefühl gegenüber dem Propheten Samuel beim Leser zu wecken. Dieser wird etwas unzufrieden dargestellt und fast beleidigt wegen Saul, der jetzt der neue Führer ist. Samuel wartete länger als vereinbart war, vielleicht absichtlich; Es wird nicht entschuldigt noch erklärt. Wenn es Samuel so wichtig war, warum kam er nicht pünktlich? Der Autor des Buches lässt diese Zweideutigkeit offen. Dann findet die Diskussion der beiden statt, in der Samuel Saul gegenübersteht, weil dieser das Brandopfer durchgeführt hat und Saul ein Stück Samuels Mantel abreißt. Dies ist das letzte Mal, dass die beiden miteinander sprechen (1 Samuel 15:10-35). Es ist eindeutig, dass es nicht wegen Saul ist, sondern wegen Samuel. Ersterer sucht ihn auch nach Samuels Tod (1 Samuel 28).
Und Samuel fügte keine weitere Begegnung[1] mit Saul hinzu, bis zu seinem Todestag, denn er weinte um Saul.[2] Der Herr hingegen[3], bereute es, Saul zum König über Israel gemacht zu haben.
1 Samuel 15:35 (meine eigene Übersetzung) [4]
Was hier verdeutlicht werden soll, ist, dass der Autor des Buches Samuel uns die menschlichsten Züge aller Charaktere in diesem politischen Prozess des Leiterwechsels zeigt. Mit der Subtilität, die diesen Autor kennzeichnet, kann man zwischen den Zeilen lesen, dass er eigentlich beschreibt, wie die Macht in ganz bestimmten Augenblicken nach Samuels Schwäche Ausschau hielt, genauso wie nach Sauls. Die Macht dringt wie ein Käferchen lautlos in das Feld ein, um die Wurzeln des Fundaments jedes guten Herrschers zu zerfressen. An der Macht zu sein ist keine leichte Sache, und zu denken, dass Macht von Natur aus etwas Negatives ist, ist auch nicht gut.
[1] Der Wechsel vom „Sehen“ zum „Begegnen“ ist auf das semantische Feld des Lirot (לִרְאְות) zurückzuführen, das beide Bedeutungen haben kann. Außerdem „sah“ Samuel Saul später in 1 Samuel 19:24.
[2] Die Konjunktion „denn“ (כִּי) kann verschiedene Funktionen haben. Hier ist sie die Erklärung, warum Besuche aufhören. Dies wird mit dem folgenden Satz klarer, der dem obigen gegenüber steht.
[3] Die Idee, den Kontrast zwischen Samuel und Gott hervorzuheben, ist gerechtfertigt, weil er dem Klagen des Herrn mehr Sinn gibt. Wenn beide dasselbe bereuen, warum dann nicht beide zusammenbringen und sagen: „Beide haben diese Situation bereut.“ Dies führt uns zu der Annahme, dass Gott die Veränderung in Saul bedauert, nicht seinen Worten gehorsam gewesen zu sein; Samuel hingegen, bedauert etwas anderes.
[4] vergleiche mit HFA.