Das Lukasevangelium legt großen Wert auf die Frauen. Nicht, dass Jesus oder Gott mit weiblichen Eigenschaften dargestellt werden, sondern dass Frauen einen ganz besonderen Wert haben, was aber nicht sofort auffällt.
Bei einer Suche nach dem Wort Frau/en, erscheint dieser Begriff 56 Mal (HFA) im Lukasevangelium. Verglichen mit den anderen Evangelien fällt auf, dass Lukas das Buch ist, in dem dieses Wort am häufigsten erwähnt wird. Markus hingegen erwähnt das Wort Frau/en nur 32 Mal, Johannes ungefähr 18 Mal und Matthäus, der Lukas am nähesten kommt: 35 Mal.
Ein anderes auffälliges Wort ist Witwe/n. Auch hier ist Lukas der Gewinner, wenn es darum geht, wie häufig dieser Begriff in jedem Evangelium vorkommt. Während alle anderen Evangelien zusammen (Matthäus, Markus und Johannes) knapp 7 Mal über sie sprechen, erwähnt Lukas die Witwen 11 Mal.
Das Interessanteste an Lukas ist, dass er für viele der Geschichten, die er erzählt, eine männliche Version hat, gefolgt von einer weiblichen, oder umgekehrt. Diese Parallelen wurden von Henry Cadbury; Robert Morgehaler; Helmut Flender; sowie auch von Robert Tannehill entdeckt. Als nächstes werde ich diese Parallelen beschreiben, die in Lukas gefunden wurden. Die fett markierten Wörter sind die Parallelen oder Wiederholungen in den beiden Geschichten.
1. In Lukas 4:25-27 finden wir ein sehr klares Beispiel: die Witwen und die Aussätzigen. Jesus versucht zu erklären, dass die Propheten vor ihm auch in ihren eigenen Völkern nicht geliebt wurden, und er sagt:
…Damals gab es genug Witwen in Israel… aber nicht zu ihnen wurde Elia geschickt, sondern zu einer nichtjüdischen Witwe in Zarpat bei Sidon.
…erinnert euch an den Propheten Elisa! Es gab zu seiner Zeit unzählige Aussätzige in Israel, aber von ihnen wurde keiner geheilt. Naaman, der Syrer, war der Einzige.
Lukas 4:25-27
2. Als Jesus sich auf das Zeichen von Jona bezieht, gibt er zwei bessere Beispiele als die, die er unter seinem Volk findet: das erste ist von einer Frau und das andere von einigen Männern:
Die Königin von Saba wird am Tag des Gerichts gegen die heutige Generation auftreten und sie verurteilen. Denn sie kam von weit her, um von König Salomos Weisheit zu lernen. Und hier steht jemand vor euch, der größer ist als Salomo!
Auch die Einwohner von Ninive werden am Gerichtstag gegen diese Generation auftreten und sie verurteilen, denn nach Jonas Predigt kehrten sie um zu Gott. Und hier steht jemand vor euch, der größer ist als Jona.
Lukas 11:31-32
3. Die Parallele der Gleichnisse vom Senfkorn und vom Sauerteig (Lukas 13:18-21) zeigt ein Beispiel des täglichen Lebens; zuerst eines Sämanns und dann einer Frau, die Essen zubereitet.
Jesus fragte seine Zuhörer: »Womit kann ich Gottes Reich vergleichen? Wie soll ich es beschreiben? Es ist wie ein Senfkorn, das ein Mann in seinem Garten aussät. Das Samenkorn geht auf, wächst und wird zu einem Baum, in dessen Zweigen die Vögel ihre Nester bauen.« Jesus fragte noch einmal: »Womit soll ich Gottes Reich vergleichen? Es ist wie ein Sauerteig, den eine Frau zum Brotbacken nimmt. Obwohl sie nur wenig davon unter eine große Menge Mehl mischt, ist am Ende alles durchsäuert.«
Lukas 13:18-21
4. Eine weitere Parallele ist in den Gemeinsamkeiten des Reiches Gottes mit den verlorenen Schafen und mit der verlorenen Münze zu finden (Lukas 15:4-9). Das Schaf wird von einem Mann verloren und die Münze von einer Frau. Beide Personen handeln in gleicher Weise:
Stellt euch vor, einer von euch hätte hundert Schafe und eins davon geht verloren, was wird er tun? Lässt er nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück, um das verlorene Schaf so lange zu suchen, bis er es gefunden hat? Wenn er es dann findet, nimmt er es voller Freude auf seine Schultern und trägt es nach Hause. Dort angekommen ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen: ›Freut euch mit mir, ich habe mein verlorenes Schaf wiedergefunden!‹
Oder nehmt ein anderes Beispiel: Eine Frau hat zehn Silbermünzen gespart. Eines Tages verliert sie eine davon. Sofort zündet sie eine Lampe an, stellt das ganze Haus auf den Kopf und sucht in allen Ecken. Endlich findet sie die Münze. Sie ruft ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und erzählt: ›Ich habe mein verlorenes Geld wiedergefunden! Freut euch mit mir!‹
Lukas 15:4-9
5. Bei der Ankündigung der Geburt von Johannes dem Täufer (Lukas 1,5-25) ist Zacharias, der Mann des Hauses, die Hauptperson der Geschichte. Elisabeth, seine Frau, steht eher am Rande. Im Gegensatz dazu ist in der darauffolgenden Geschichte, die Ankündigung der Geburt von Jesus (Lukas 1: 26-56), Maria, die Frau, die Hauptperson der Geschichte, und Josef, ihr Ehemann, ist eher nebensächlich. Das Matthäusevangelium konzentriert sich mehr auf Josefs Träume und weniger auf Maria. Dies zeigt, was Lukas zu betonen versucht.
6. Als Jesus im Tempel dem Herrn geweiht wurde, präsentierten sich zwei fromme Personen; eine ist Simeon, ein gerechter Mann, der als älterer Herr die Hoffnung des Volkes Gottes zu Gesicht bekam, und die andere ist Hanna, die Prophetin, die den Tempel nicht verließ, obwohl sie alt und verwitwet war (84 Jahre alt). Die männlich-weiblich Parallele, die sich durch das gesamte Lukasevangelium zieht, ist ziemlich tiefgehend.
7. Lukas berichtet von zwei Erweckungen, die Jesus vollbracht hat. Die bekannteste Erweckung in der Bibel ist wahrscheinlich die des Lazarus, aber der einzige Lazarus in Lukas ist der arme Mann in einem Gleichnis, der am Ende in Abrahams Schoß ruht. Nur Johannes berichtet von der Auferstehung Lazarus.
- Die erste Erweckung in Lukas ist die des einzigen Sohnes der Witwe von Nain (Lukas 7:11-17). Lukas berichtet: Als Jesus, der Herr, die Frau sah, war er von ihrem Leid tief bewegt. »Weine nicht!«, tröstete er sie. (V. 13) Dann erweckte er den jungen Mann zum Leben und gab ihn der Mutter zurück.
- Die zweite Erweckung ist die der einzigen Tochter von Jaïrus, dem Vorsteher der jüdischen Gemeinde (Lukas 8:40-56). Jesus macht sich auf den Weg, um sie zu heilen, dann wird ihm mitgeteilt, dass Jaïrus Tochter bereits tot ist, weil Jesus unterwegs unterbrochen wurde (und wieder einmal von einer Frau: nämlich von der, mit dem Blutfluss). Lukas schreibt: „Alle klagten und weinten um die Tote, aber Jesus sagte: »Hört auf zu weinen!«“ (V. 52) Jesus erweckt die junge Frau zum Leben und bringt sie zu ihren Eltern zurück.
Diese beiden Geschichten über Erweckungen zeigen sehr deutlich den Charakter von Jesus und Gott. In der ersten Geschichte wird eine Witwe, deren Namen nicht einmal erwähnt wird, genauso behandelt, wie Jesus das Haupt der Synagoge behandelte und seinen Rang und spezifischen Namen mitteilte: Jaïrus. Jesus ist nicht für eine bestimmte Gruppe von Menschen gekommen, sondern für alle, die einen Retter brauchen, und die entschieden sind, dem Herrn Jesus Christus nachzufolgen.
Ich bin es nicht, der hier Gewicht darauf legt, es ist das Wort Gottes selbst, das diese Parallele betont. Ich habe 7 Parallelen genannt, aber es gibt noch weitere. Dies ist wichtig und muss erkannt werden. Ich verteidige weder den Feminismus noch den Machismus. Es geht nicht um -ismus, es geht um ein neues Volk, das aus verschiedenen sozialen und ethnischen Gruppen besteht und verschiedene historische Hintergründe (leidendes Volk oder eroberndes Volk) enthält: Jesus ist für diejenigen gekommen, die sich entschließen, ihm zu folgen.
Dass Männer und Frauen entscheiden müssen, Christus nachzufolgen, verdeutlicht Lukas in der Geschichte von Martha und Maria (Lukas 10:38-42). Interessanterweise, wird diese Geschichte nur von Lukas erwähnt. Die beiden Frauen werden auch in den anderen Evangelien erwähnt, aber der Kontrast zwischen ihnen zeigt sich im Lukasevangelium. Jesus bestätigt: „Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“ (V. 42), und obwohl die Gesellschaft erwartete, dass sie beim Zubereiten vom Essen hilft, verteidigt und lobt Jesus sie. Für Lukas müssen diejenigen, die Jesus nachfolgen, die höchste Priorität haben, denn Maria „setzte sich zu Jesu Füßen und hörte seiner Rede zu.“ (V. 39)
Zum Schluss, erzählt Lukas von den Frauen, die die Botschaft von Jesu Auferstehung durch die Engel empfangen (Lukas 24:1-12). Obwohl diese Geschichte in allen 4 Evangelien erscheint, regt das Detail, das Lukas hinzufügt, zum Nachdenken an:
Da erinnerten sich die Frauen an diese Worte von Jesus. Sie liefen vom Grab in die Stadt zurück, um den elf Aposteln und den anderen Jüngern zu berichten, was sie erlebt hatten. Zu diesen Frauen gehörten Maria aus Magdala, Johanna, Maria, die Mutter von Jakobus, und noch etliche andere.
Aber die Apostel hielten ihren Bericht für leeres Gerede und glaubten den Frauen kein Wort.
Lukas 24:8-11
Zusammenfassend kann man sagen, dass Lukas im Vergleich zur römischen, griechischen und jüdischen Gesellschaft sowie zu den anderen drei Evangelien einen besonderen Schwerpunkt auf Frauen legt. Sie beteiligen sich als Empfänger der frohen Botschaft Jesu und seinen Segnungen, und auch sie müssen entscheiden, Jesus nachzufolgen. Ausserdem sind die Entscheidungen einer namenlosen Witwe und die eines angesehenen Vorstehers der Synagoge, Jaïrus, für Gott von gleicher Bedeutung.