Ist Gott ein zorniger Krieger? (2) Jeremia und Jesaja

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Errichtung der Bronzeschlange. Von Michelangelo. In der Sixtinischen Kapelle, gemalt zwischen 1508 und 1512.

Im vorherigen Beitrag zu diesem Blog wurde Gott als Krieger analysiert, der darum kämpfte, dass seine Schöpfung in einer von ihm selbst festgelegten Ordnung stattfinden konnte. Insbesondere wurden der Schöpfungsbericht und das Lied Moses nach dem Exodus analysiert. Hier werden wir Gott als Krieger und Feind seines eigenen Volkes analysieren.

Nach dem Auszug aus Ägypten zog das Volk Gottes in das verheißene Land, das heutzutage das Gebiet des Staates Israel und auch das des palästinensischen Staates ist. Mit David und Salomo blühte das Königreich so richtig auf. Aber das Volk Gottes, zusammen mit seinen Herrschern, hörten auf, das Leben zu führen, das Gott ihnen befohlen hatte. Die Abweichung der Herrscher ist in den Büchern von 1-2 Königen verzeichnet, und die des gesamten Volkes ist in den Propheten zu finden.


1. Die Gegenwart Gottes schützt

Weil Gott Abraham versprochen hatte: „Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen“ (1. Mose 12:3), begann das Volk, die Gegenwart Gottes als Schutz gegen alles Böse zu benutzen. Während der Wüstenwanderung des Volkes Gottes in das verheißene Land wurde die Gegenwart Gottes mit der Wolkensäule oder der Feuersäule symbolisiert, die auf der Bundeslade lagen. Psalm 46 zeigt, wie Gottes Volk sich sicher war, dass niemand sie schlagen konnte, weil Gott in ihrer Mitte war und sich um sie kümmerte:


Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben; Gott hilft ihr früh am Morgen. Die Heiden müssen verzagen und die Königreiche fallen; das Erdreich muß vergehen, wenn er sich hören läßt. Der HERR Zebaoth ist mit uns; der Gott Jakobs ist unser Schutz.

Psalm 46:4-7 (LUTH1545)


Die Gegenwart Gottes bedeutete Schutz. Zuerst mit Abraham, dann für die Bundeslade in der Stiftshütte und schließlich im Tempel Salomos. Gott wohnte zwischen den beiden Engeln über der Bundeslade inmitten des heiligsten Ortes im Tempel (2 Mose 25:22; 1 Samuel 4:4; 1 Könige 8:6-8).


Die Propheten predigten gegen den Missbrauch des Volkes

Auch als das Volk in Ungehorsam lebte, und sich nicht an das hielt, was der Bund zwischen Gott und seinem Volk forderte, verließen sie sich immer noch auf Gottes Gegenwart als Schutz. Sie dachten, solange Gott dort im Tempel bei ihnen ist, wären sie sicher, egal was für ein Leben sie führen. Genau dazu ermahnte der Prophet Jeremia das Volk, als er im Tempel selbst Folgendes predigte:

Jeremia. Von Michelangelo. In der Sixtinischen Kapelle, gemalt zwischen 1508 und 1512.

So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Bessert euer Leben und Wesen, so will ich bei euch wohnen an diesem Ort. Verlaßt euch nicht auf die Lügen, wenn sie sagen: Hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel! sondern bessert euer Leben und Wesen, daß ihr recht tut einer gegen den andern und den Fremdlingen, Waisen und Witwen keine Gewalt tut und nicht unschuldiges Blut vergießt an diesem Ort, und folgt nicht nach andern Göttern zu eurem eigenen Schaden: so will ich immer und ewiglich bei euch wohnen an diesem Ort, in dem Lande, das ich euren Vätern gegeben habe.

Jeremia 7:3-7 (LUTH1545)


Das Volk sagte: Da der Tempel die Gegenwart Gottes repräsentiert, sind wir sicher, solange wir den Tempel haben. Sie glaubten, dass der TEMPEL, ja der TEMPEL, der TEMPEL ihre Errettung sein würde. Irgendwelche Ähnlichkeiten mit Ideen über den neuen Tempel, die in sozialen Medien rapide verbreitet werden, ist kein Zufall. Der TEMPEL war alles für diese Leute, die lebten, wie es ihnen gefiel.

Das Volk lebte nach Lust und Laune und Jeremias Anschuldigungen sind kein Spaß: Sie tun nicht das Rechte (Machtmissbrauch); sie unterdrücken die Fremden-Waisen-Witwen, bzw. diejenigen, die keinen wirtschaftlichen oder sozialen Status haben, der ihnen die Möglichkeit gibt, unmoralische Jobs nicht annehmen zu müssen; SIE VERGIEßEN UNSCHULDIGES BLUT (zu einer anderen Zeit lebte Jesus mit einer solchen Generation), und sie jagen anderen Göttern nach! Es ist interessant, dass es gerade der Prophet Jeremia ist, den Jesus zitierte, als er sagte, dass sie den Tempel zu einer Räuberhöhle gemacht hatten (Jeremia 7:11 in Matthäus 21:13; Markus 11:17; Lukas 19:46).


3. Gott legt seine Rüstung an

Wie wird Gott sie segnen? Nur weil sie sein Volk sind? Es ist interessant, dass Gott sich gerade durch die Propheten total gegen sein Volk wendet. Mag sein, dass Sie denken, es sei einfach nur eine Meinung, nichts weiter. Es mag sein, aber ich möchte trotzdem mindestens 2 Stellen zeigen, an denen dies sehr deutlich zum Vorschein kommt. Die erste ist in Jeremia und die zweite in Jesaja zu finden.

a) Jeremia


„Darum spricht der HERR HERR: Siehe, mein Zorn und mein Grimm ist ausgeschüttet über diesen Ort, über Menschen und Vieh, über Bäume auf dem Felde und über die Früchte des Landes; und der soll brennen, daß niemand löschen kann.“

Jeremia 7:20 (LUTH1545)


Jeremia klagt über die Zerstörung Jerusalems. Rembrandt van Rijn, ca 1630

Dies ist Teil der Predigt, die Jeremia im Tempel hält. „Dieser Ort“ ist nicht nur die Stadt, sondern der Tempel selbst. Der Zorn und der Grimm Gottes werden über diese Menschen ausgeschüttet. Gott wird ihnen ihre Tiere, ihre Bäume, ihre Felder und ihre Ernten nehmen. Es wird keine Frucht geben, die als Nahrung dienen könnte. Dies wird die Folge von Gottes Zorn gegen sein eigenes Volk sein. Es ist interessant, dass das Feuer, das nicht erlöschen wird, im Neuen Testament auf eine ähnliche Art und Weise erwähnt wird, nämlich da, wo es um das Gericht Gottes geht (Matthäus 3:12; 5 Mal in Markus 9:43-48; Hebräer 10:27; Juda 1:7; Offenbarung 20:10). Aber hier scheint Jeremia immer noch sehr sanft zu sein. Später ist der Prophet viel klarer und aggressiver:


Und die Leichname dieses Volkes sollen den Vögeln des Himmels und den Tieren auf Erden zur Speise werden, davon sie niemand scheuchen wird. Und ich will in den Städten Juda’s und auf den Gassen zu Jerusalem wegnehmen das Geschrei der Freude und Wonne und die Stimme des Bräutigams und der Braut; denn das Land soll wüst sein.

Jeremia 7:33-34 (LUTH1545)


Das ist schrecklich und grausam. Wenn man erst von Leichen spricht, die von Tieren und Vögeln gefressen werden, ohne dass jemand sie verjagt, bedeutet dies, dass niemand da sein wird, um sicherzustellen, dass sich die Körper geliebter Menschen in Frieden zersetzen. Die Stimme der Freude und der Wonne wird parallel zur Stimme des Bräutigams und der Braut erwähnt, diese wiederum sind für die Evangelisten sehr wichtig. Wenn nämlich vom Bräutigam gesprochen wird, der mit den Jüngern zusammen ist, bezieht sich dies auf Jesus. Aber für Jeremia hatte sich Gott natürlich gegen sein Volk gewandt, wie ein Krieger, der die heftigsten Angriffe plant.

b) Jesaja

Der zweite Prophet, der Gott auf sehr ähnliche Weise verstand, ist Jesaja. Das Kapitel 6 des Buches Jesaja berichtet von seiner Vision, wie er vor dem Throne Gottes steht. Wie im Tempel und auf der Bundeslade, zwischen den Engeln, wo Gott wohnt, sind auch hier wieder himmlische Wesen im Spiel. Einer von ihnen berührt seinen Mund mit glühender Kohle, um seine Lippen zu reinigen. So beginnt das Gespräch zwischen Gott und Jesaja:


Und ich hörte die Stimme des HERRN, daß er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich; sende mich! Und er sprach: Gehe hin und sprich zu diesem Volk: Höret, und verstehet’s nicht; sehet, und merket’s nicht! 10 Verstocke das Herz dieses Volkes und laß ihre Ohren hart sein und blende ihre Augen, daß sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich bekehren und genesen. 11 Ich aber sprach: HERR, wie lange? Er sprach: Bis daß die Städte wüst werden ohne Einwohner und die Häuser ohne Leute und das Feld ganz wüst liege. 12 Denn der HERR wird die Leute fern wegtun, daß das Land sehr verlassen wird.

Jesaja 6:8-12 (LUTH1545)


Marc Chagall, belarussischer Jude. Der Prophet Jesaja. 1968

Der perfekte Ruf für jeden Arbeiter des Herrn! Wie schwierig muss dieser Ruf gewesen sein. Gott ruft Jesaja dazu auf, jegliche Erkenntnis zu blockieren und nicht zuzulassen, dass die Menschen sich bekehren. Für den modernen Leser scheint dies eher ein finsterer Plan als eine Ausführung der Gerechtigkeit zu sein. Für den Propheten Jesaja schien dies ebenfalls eine schreckliche Berufung zu sein, deshalb fragt er: Herr, wie lange??? Die Antwort unterstreicht Gottes Auftrag an Jesaja, die Mittel zu bloquieren, mit denen das Volk Buße tun und geheilt werden konnte. Es mag sehr hart klingen für diejenigen, die gehört haben, dass Gott immer vergibt. Aber es ist etwas, worüber man vielleicht nachdenken sollte. Wie weit reicht die Geduld Gottes? Es scheint, als hätte sie bis hier gereicht. Normalerweise werden die Verse von Jesaja 40 und weiter zitiert, weil dort Gottes Haltung zum Volk bereits etwas mutmachender ist. Aber man sollte auch in diesen Stellen der Stimme Gottes Raum geben.


Worüber Gott in diesen Situationen wütend war, scheint klar zu sein. Der Zorn und der Grimm waren sehr deutlich. Schließlich ist die Beschreibung der Perspektive im Buch der Klagelieder enthalten. Wie haben die Menschen diesen Gott gefühlt und beschrieben? Es scheint, wäre die Sicherheit von Psalm 46 aufgehoben und widersprochen worden:


Der HERR ist gleich wie ein Feind; er hat vertilgt Israel; er hat vertilgt alle ihre Paläste und hat die Festen verderbt; er hat der Tochter Juda viel Klagens und Leides gemacht.

Klagelieder 2:5 (LUTH1545)


Die Frage am Anfang war: Ist Gott ein zorniger Krieger? Den Aussagen der Bibel zufolge, scheint die Antwort: „JA“ zu lauten. In einigen Begebenheiten offenbart sich Gott als zorniger, feindlicher Krieger. Die gleiche Idee kommt am Tag des Herrn oder beim letzten Gericht vor. Das Wissen um einen solchen Gott hilft uns, eine andere Perspektive zu bekommen. Nicht, dass er ein willkürlicher Bösewicht ist, der sucht, wen er bestrafen kann. Sondern es zeigt, dass er ein Richter ist, der Gerechtigkeit sucht und finden wird. Deshalb ist es besser, auf seiner Seite zu sein als gegen ihn. Für sein Volk, jene, die nach seinen Anweisungen leben, ist er der, der sich um sie kümmert, sie segnet und bewahrt. Aber es ist immer noch ein Gott, der gefährlich werden kann. Es überrascht nicht, dass der Verfasser des Briefes an die Hebräer schrieb:


Schrecklich ist’s, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!

Hebräer 10:31 (LUTH1545)


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