Lukas: Jesus zwischen Armen und Reichen

6 min.

Im Evangelium nach Lukas kann man eine starke Betonung von finanziellen Themen erkennen, sowie die Bildung von zwei Gruppen, die häufig als ¨die Armen¨ und ¨die Reichen¨ bezeichnet werden. Dieser Schwerpunkt macht sich durch das gesamte Evangelium bemerkbar. Die Einzelheiten lassen Lukas` theologische Agenda zum Vorschein kommen, die er mit den selektiv ausgewählten Berichten über Jesu Leben und Lehren verfolgt. Eine theologische Agenda zu haben ist nichts Unnormales oder Negatives. Alle Historiker, ob Römer, Juden usw., hatten theologische, politische und persönliche Agendas. In den meisten Fällen waren sie bestrebt, bestimmte Menschen und Götter zu verherrlichen. Genauso macht es auch Lukas. Nach seiner Art wird jedoch Jesus als der Messias Gottes vorgestellt, der die Armen auf eine besondere Weise liebt.

Wie können wir dies wissen? Robert Tannehill hilft uns dabei, die Antwort zu finden, in seinem Buch The Narrative Unity of Luke-Acts: The Gospel According to Luke, die Seiten 101-131:

1. Erstens ist im Lukasvangelium die Geschichte der Hirten zu finden, die die Ankündigung der Engel von der Geburt Christi erhalten (Lu. 2,8-20). Sie sind nicht wie die Weisen des Ostens, die lange Reisen unternehmen können und Gold bringen, wie Matthäus berichtet (Mt. 2,1-11). Die Hirten sind eine Gruppe von Menschen, von denen alle wissen, dass sie nicht viel haben.

2. Außerdem gibt nur Lukas Auskunft über die zwei Turteltauben, die Maria und Josef als Dankesopfer an Gott zum Tempel brachten, als sie ihr Kind dem Herrn weihen wollten (Lu. 2,22-24). Dies war ein Gesetz, das in 3. Mo. 12,7-8 beschrieben wird:


Der Priester bringt ihr Opfer mir, dem Herrn, dar, damit die Unreinheit der Blutung von ihr genommen wird und sie wieder rein ist. Diese Weisung gilt für jede Frau, die einen Jungen oder ein Mädchen geboren hat. „Wenn sie sich aber kein Lamm als Opfertier leisten kann, darf sie stattdessen zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben nehmen, eine als Brandopfer und eine als Sündopfer. Damit soll der Priester sie von ihrer Unreinheit befreien, damit sie von nun an wieder als rein gilt.“

3. Mose 12,7-8


3. Der Auftrag Jesu, den er in der Synagoge predigt und dabei Jesaja zitiert, in Luk. 4,18-19:


Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkünden das Evangelium den Armen,
zu predigen den Gefangenen,
dass sie frei sein sollen, und den Blinden,
dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen
zu entlassen in die Freiheit.

Lukas 4,18-19


Hier sehen wir ein klares Detail, nämlich, dass die hier genannten „Armen“, die Bevorzugten sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Jesus etwa nicht gekommen ist, um auch die „Reichen“ zu retten. Die jeweiligen letzten Worte der vier mittleren Zeilen (in Kursivschrift) umfassen eine bestimmte Gruppe von Menschen: diejenigen, die Hilfe und Erlösung brauchen.

4. Lukas wählt für sein Evangelium selektiv die Lehren Jesu aus (weil er nicht alles erzählt, was geschah, musste er entscheiden, was zu erwähnen war und was nicht). Zwei davon, die nebeneinanderstehen, sind das Beispiel des reichen Narren und die Lehre des Vertrauens auf Gott (Lu. 12,13-21; 22-34). Die erste Lehre, die des reichen Narren, beginnt mit einer Warnung (Lu. 12,15):


Hütet euch vor der Habgier! Wenn jemand auch noch so viel Geld hat, das Leben kann er sich damit nicht kaufen.

Lukas 12,15


Dann erzählt Jesus das Beispiel des reichen Mannes, der viele Güter für sich sammeln wollte, um sicherzugehen, dass er das Leben für viele Jahre genießen kann. Dieser Mann ist für Jesus (und für Gott in dem Gleichnis): ein NARR (V. 20)! Das Vertrauen in ein gutes Leben sollte nicht von wirtschaftlichen Gütern abhängen, sondern von der Versorgung Gottes. Und gleich darauf folgt die zweite Lehre Jesu, die Lu. 12,27 so zusammenfasst:


Seht euch an, wie die Lilien blühen! Sie mühen sich nicht ab und können weder spinnen noch weben. Ich sage euch, selbst König Salomo war in seiner ganzen Herrlichkeit nicht so prächtig gekleidet wie eine von ihnen.

Lukas 12,27


Jesus stellt die Person, die auf materielle Güter vertraut, dem gegenüber, das auf dem Feld am verletzlichsten ist. Nämlich den Blümchen auf dem Feld, die aber auf Gott vertrauen müssen.

5. Zudem wird Lukas wiederum zum Evangeliums-Einzelgänger, indem er von dem Gleichnis Jesu schreibt, das als Der reiche Mann und der arme Lazarus bekannt ist (Lu. 16,19-31). Das Problem des reichen Mannes ist nicht sein Reichtum, sondern seine Gleichgültigkeit gegenüber seines Nachbarn Lazarus. Denn dieser „begehrte sich zu sättigen von den Brotsamen“ (V. 21) des reichen Mannes, der „alle Tage herrlich und in Freuden lebte“ (V. 19). Der Tod veränderte die Welt beider Personen, und nun begehrte der reiche Mann, dass Lazarus, „die Fingerspitze in Wasser tauche und seine Zunge abkühle“, da Lazarus nun in Abrahams Schoß war. Doch dieses Mal wurde dem Gleichgültigen die Bitte von seinem Bruder abgelehnt.

6. Zwei weitere Geschehnisse, die ebenfalls nur Lukas erwähnt, sind zwei Geschichten, die man als Bekehrung eines „armen Mannes“ und als Bekehrung eines „reichen Mannes“ bezeichnen könnte. Die erste Geschichte handelt von Jesu Heilung der 10 Aussätzigen (Lu. 17,11-19) und die Zweite von Zachäus (Lu. 19,1-10). In der Geschichte der armen Aussätzigen heilt Jesus 10 von ihnen, es kehrt jedoch nur einer zurück, um Gott und Jesus zu danken. In der Geschichte ist dies der „Arme“, der aus Lukas´ Sicht ein Vorbild für andere ist.

In der Geschichte von Zachäus, der „Oberster der Zöllner und reich“ war (V. 2), kommt Jesus in sein Haus, um mit ihm zu essen. Derselbe Jesus, der auf die armen Aussätzigen zuging, besucht hier einen sogenannten „sündigen Mann“ (V. 7). Es ist schwer zu erklären, was mit Zachäus in V. 8 passiert ist:


Zachäus aber wandte sich an Jesus und sagte: »Herr, ich werde die Hälfte meines Vermögens an die Armen verteilen, und wem ich am Zoll zu viel abgenommen habe, dem gebe ich es vierfach zurück

Lukas 19,8


Für Lukas ist Zachäus das Beispiel für die „Reichen“. Zwei Bekehrungen und beide müssen auf den Geber des Guten vertrauen, der Gott ist, und nicht auf den persönlichen Gewinn, um das Leben mehr genießen zu können.

Zusammengefasst: Dieser panoramische Blick auf das Lukasevangelium ermöglicht einen Einblick in die Bedeutung, die Lukas der sozioökonomischen Realität zuschreibt und darin, wie das Wort Gottes noch bis heute sprechen kann, um sein Volk dazu zu bewegen, in ihrem Leben dem Meister Jesus nachzufolgen, der soziale Schranken durchbrach, denn „der Menschensohn ist gekommen, Verlorene zu suchen und zu retten.«.“ (Lu. 19,10).


Die mobile Version verlassen